Petra Tusoni & Joachim Sing

Al Pozzetto – der Name entspringt einem kleinen Tümpel, eine unscheinbare Wasserstelle die gegenüber der Agricultura in der Mauer der  Straße gefasst wurde.   Die erste Begegnung mit Al Pozzetto war auf einer Radtour von Augsburg über den Gardasee nach Treviso. Es war ein sehr heißer Tag und der Tacho hatte schon 135 Kilometer und die Waden den Anstieg von Roveretto nach Scio hinter sich. Kein Gasthof hatte mehr ein Zimmer frei und die Glocken läuteten schon zum Abendgebet. Kurz nach Marostica Richtung Thiene radelnd, sah ich dann das Schild und voller Schreck die Richtung nach oben. Es war zu allem Überfluss noch Montag und der bekannte Ruhetag in der italienischen Gastronomie. Der Weg nach oben kam mir verflucht steil und endlos vor, ein alter zahnloser Mann redete schwer verständlich vom Friedhof, an dem ich wohl nach rechts abbiegen muss.  Der besagte Weg wurde dann immer steiler, so daß nur noch ein Schieben möglich war – bis  –  ja bis ein fröhlich schwatzender und gutgewachsener Mann auf mich zukam und fragte ob ich noch ein Zimmer möchte. An dieser Stelle muss ich den nicht Radtouristen mitteilen, dass sie den größten Teil der Welt nicht sehen werden. 200 PS ergeben zwar Erkenntnisse auf der Autobahn aber sie genügen nicht zum Erkennen. Die Zimmer im Al Pozzetto öffnen sich zur Ebene des Veneto. Venedig ist zwar nicht zu sehen, aber Florindo zeigt einem gerne wo am Horizont die Lagunenstadt liegt. Der Blick von der windgeschützten Terrasse schweift über diese Kulturlandschaft, über kirchturmgekrönte Hügel wo die Glocken jeden Tag miteinander spielen und mit den Hähnen und Hofhunden ein unvergleichliches Konzert komponieren, täglich aufs Neue, nie störend und immer ein Teil  der Landschaft. Trotz Ruhetag servierte mir seine Frau einen Teller Tagliatelle ( un po piu ) al ragu von der Ente. Die Flasche Rotwein vom eigenen Weinberg und der Liegestuhl auf der Terrasse waren die Krönung.  Der Blick folgte den landenden Flugzeugen die bedauernswerte Touristen nach Venedig schippern. Seither kommen wir immer wieder hier zurück und genießen die Gastlichkeit des Familienbetriebes. Immer ist das Gefühl in der Gaststube dass es eine große Familie ist die hier zusammenkommt. Florindo steht mit einer seiner berühmten Küchenschürzen immer wieder zwischen den Gästen, nimmt noch Bestellungen auf und hört sich die speziellen Wünsche seiner Landsleute zur Bissfestigkeit der Nudel an. Nie haben wir hier das gleiche gegessen, täglich bietet der Hof und der Markt wechselnde Produkte die in traditioneller Weise zubereitet werden. Die Spezialität des Hauses ist das große Stück Fleisch, die Bistecca. Auf die Auswahl der Tiere und die Reife des Fleisches legt er besonderen Wert. Das Bistecca hier ist von der Qualität dass einem das Fett daran schmeckt – mehr ist nicht dazu zu sagen. Wie wir das so lieben in Italien, komm keine Speisekarte sondern ein liebenswerter Mensch der weis was die Küche heute bietet. Allora, oggi abbiamo. ……cosa preferite . Wenn die Sprachkenntnisse nicht ausreichen,  kann immer ein Menü del Giorno mit Antipasti – Pasta und Carne bestellt werden. Die Küche wird in jedem Fall das Vertrauen des Gastes rechtfertigen. Zum Dessert gibt es meist selbstgemachten Kuchen . Am Besten hier immer das Dolce Misto bestellen – der Schlaumeier erhält dann von allen Köstlichkeiten etwas und kann noch gezielt mit einem Fingerzeig nachbestellen.  Oft kommt Fiorindo mit einem speziellen Grappa, den er auf seine Art mit Kernen vom Granatäpfeln oder Gewürzen und Beeren aus den Bergen veredelt hat.  Rund um das Haus wächst Wein, stehen Kirschen oder Feigenbäume, vor der Terrasse wachsen Kiwis und viele andere Früchte. Was den Gästen des Abends allerdings entgeht , ist das 5 Sterne Frühstück von Florindo. Ganz und gar ungewöhnlich, denn der Italientourist hat sich ja an Latte Macchiato und Brioche schon gewöhnt. Hier kommt die große Bialetti mit dampfendem Kaffee, Obstsaft, frisch gebrühter Pfefferminztee, gebackene Äpfel, Feigen in Blätterteig, Salami , Schinken , hausgemachter Kuchen, Spiegelei, und und und. Als Gast ist man versucht  stopp zu sagen, aber tut das nicht, alles kommt gerne und von Herzen. Zur Zubereitung eines ordentlichen Frühstückes sollten die 5 Sterne Manager der Welt hier einen Kongress abhalten. Garantiertes plastikfreies Frühstück alla casa. Für den Touristen bieten sich hier Ausflüge nach Bassano, Marostica, Asolo, Vicenca, Venedig und Padua an. Der Veneto ist von hier leicht zu erschließen und besser und preiswerter als in der Nähe von Venedig. Wandern und radeln ist ab dem Haus ein Vergnügen. Asiago als Höhepunkt für den geübten Radler und viele zahllose herrliche Asphaltstraßen die sich in die Berge winden. Strade biance entlang den Hügelketten für den Wanderer oder Spaziergänger , unendlich viele Schuhgeschäfte für den weiblichen Individualtouristen in den Städten der Umgebung.  Al Pozzetto und seine fröhlichen, ehrlichen und weltoffenen Menschen, das ist Italien von seiner besten Seite.

Petra Tusoni
Joachim Sing

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